Zur Geschichte der Jagd im Kanton St. Gallen

Im Zeitpunkt der Gründung des Kantons St. Gallen und in den darauffolgenden Jahren war - wie wohl in jedem Lebensbereich - auch in der Jagd  - der Einfluss der französischen Revolution zu spüren. Was vorher Privilegierten zustand, wurde Allgemeingut. So hält die Jagdverordnung vom 23. August 1803 fest, dass das Jagen, mit oder ohne Hund, den Kantonsbürgern vom 1. Herbstmonat an bewilligt ist.

Das System der freien Jagd, der Jagd also, die abgabefrei allen Kantonsbürgern zugänglich war, bestand allerdings nur wenige Jahre. Bereits 1811 mussten die Jäger Patente lösen. Eine Ausnahme wurde für Studierende gemacht, denen die kleine Jagd (auf Vögel und Eichhörnchen) während einer Zeit von etwa 8 Wochen auch ohne Patent gestattet war. Jeder Kantonsbewohner war berechtigt, ein Patent zum Preis von 4 bis 16 Franken zu lösen.

 

Die französische Revolution hatte nicht nur alle Bürger gleichgestellt. Sie hatte auch uneingeschränkte Freiheiten vermittelt. Für die Wild- und Fischbestände erwies sich dies als eigentliche Katastrophe: sie wurden nicht genutzt sondern ausgebeutet. Bereits die Verordnung von 1803 enthält einen Hinweis, dass die Gämsen seit einigen Jahren stark abgenommen hätten und dass deshalb ihre Jagd bis auf weiteres verboten werden müsse.

 

Dieses Verbot vermochte den Niedergang allerdings nicht aufzuhalten. „...Um die Erhaltung und Fortpflanzung des Hochgewildes noch mehr zu sichern...“ wurde 1842 die Bergreihe zwischen Obertoggenburg und dem Walensee, d.h. vom Gonzen bis zum Speer, zum Freiberg für das Hochwild erklärt. Mit der Schaffung dieses Freiberges, das später den Namen „Banngebiet Churfirsten“ erhält, erbringt der Kanton St. Gallen eine Vorleistung, zu der ihn der Bund aufgrund neuer Kompetenzen der Bundesverfassung von 1874 erst mehr als 30 Jahre später verpflichten kann. Dieses Banngebiet wurde 1901 bis auf einen kleinen Rest (Banngebiet Gamsberg) aufgehoben und durch das eidg. Banngebiet Graue Hörner ersetzt, in welchem ein paar Jahre später die erste Steinbock-Kolonie begründet worden ist. Die Verlegung kam auf Wunsch des Bundes zustande, der nach einer Banngebietsinspektion verlauten liess, das Gebiet weise zu wenig Wald auf und das Wild werde zu oft von den Schiessübungen in Walenstadt gestört. Es stellt sich hier fast zwangsläufig die Frage, ob die erste Steinbock-Kolonie der Schweiz im Churfirstengebiet begründet worden wäre, hätte 1911 das Banngebiet Churfirsten noch bestanden.

 Die übernutzten Wildbestände (1924 wurden im ganzen Kanton erst 136 Gämsen und 281 Rehböcke, dafür aber noch 1712 Hasen geschossen) haben massgeblich auch die Frage des Jagdsystems (Revierjagd bzw. Patentjagd) geprägt. Die Einführung der Revierjagd als Massnahme zur Verbesserung der beklagten Zustände stand schon 1894 zur Diskussion. In dieser Sache mussten aber 9 Volksabstimmungen durchgeführt werden, bis nach der Abstimmung vom 23. November 1949 die heute gültigen Verhältnisse geschaffen wurden. Es mag interessieren, dass sich an dieser letztgenannten Abstimmung über 73 % der Stimmberechtigten beteiligt hatten. Zugunsten des Reviersystems sprachen sich 51.3 % aus. Die hohen Wildbestände von heute stehen allerdings nicht mit dem Jagdsystem in Zusammenhang: starke Bestandeszunahmen sind sowohl in den Kantonen mit Patentsystem als auch in denen mit Reviersystem zu verzeichnen.